Texte

 

Die Sensibilität von Florina Coulin wird in ihren Kompositionen von einer fast geometrischen Strenge gezügelt. Der Farbauftrag, der Schlüssel einer Aquarell-Sprache, wird von vielfachen Bedeutungen aufgeladen und feiert ein regelrechtes Fest für die Augen, sei es in den Arbeiten früherer Serien – bei den Stillleben und den Landschaften – sei es in den neuen Arbeiten aus dem Zyklus „Lichtfenster“. Nicht nur das Dunkel ist geheimnisvoll. Auch das Licht kann es sein. Das beweisen uns die „Fenster“ von Florina Coulin; visuelle Erkundungen der Geheimnisse des Lichts oder angedeutetes Eintauchen in die blendende Tiefe einer Wahrnehmungsrealität, die nicht voll erklärt werden kann, auch von der modernen Physik nicht. In das von der Künstlerin imaginierte Licht tritt man bisweilen durch raffinierte Farbverläufe. Der Übergang von einer körperhaften Welt in eine metaphysiche wird diskret und zugleich entschieden angedeutet. Die Grundformen selbst werden zu Fenstern, zu Schwellen des Übergangs ins Unfassbare. 

Damit ein Künstler einen Zutritt zu einer derartigen Verdichtung erlangt, wie sie Florina Coulin erreicht hat, sind, jenseits des Könnens, wiederholte und konsequente geistige Übungen vonnöten.  Unabhängig davon, welche Themen die Künstlerin behandelt, scheinen ihre sichtbare Klarheit und entschiedene Sensibilität mit einer beeindruckenden Intensität durch.  

Luiza Barcan, Kunstkritikerin und Autorin, Bukarest, 2006.

 

Die Aquarellbilder von Florina Coulin beanspruchen Zeit, um sich durch vielschichtige Überlagerungen von hauchfeinen Lasuren zu entwickeln. Die Transparenz geht dabei nicht verloren, sondern sie bekommt dadurch eine ganz besondere Tiefe und Konsistenz, wobei etwas vom Lichtzauber der Bilder von Vermeer anklingt, aber auch – uns zeitlich näher – die Ruhe und die poetische Qualität der Malerei von Blinky Palermo.

Florina Coulin entwickelt diese Art von Aquarellmalerei als kontemplatives Verfahren und als Ausweg aus dem Zufälligen. Das erklärt auch, warum und wieso das Dilemma abstrakt oder figurativ für sie unerheblich ist.

Die reinen geometrischen Formen werden zu monochromen „Lichtfenstern“, in denen sich Gelb, Goldgelb und Rot stets vielfältig differenzieren. Außerdem gibt es auch Bilder, in denen eine verschwenderische und frei gedeihende pflanzliche Welt paradiesische Visionen hervorruft, wo jedes Blättchen lichtdurchtränkt scheint. Es herrscht kein Widerspruch zwischen alldem.

Florina Coulins Einstellung zum künstlerischen Gestaltungsakt bringt eine Wiedervereinigung dessen, was zu Beginn der Moderne des 20ten Jahrhunderts durch scheinbar unüberwindliche Antagonismen und Polemiken getrennt wurde. Die Malerei von Florina Coulin ist zugleich vergeistigt und rein, frisch und lebendig, ein Moment des geglückten Gleichgewichts der Spannungen.

Ioana Vlasiu, Kunsthistorikerin, Bukarest, 2006.

 

Zu den Installationen

 

Mit der Performance ZELT-KLEID habe ich das Thema der Entwicklung der Persönlichkeit mit ihren verschiedenen Aspekten methaphorisch angesprochen. Das „Kleid“ bestand aus einem quadratischen, elastischen Stoff aus Blau-Rot-Bahnen von ca. 5-6 m Länge. Die Ecken wurden mit Kies-Säckchen beschwert. Die Etappen waren: sich fortbewegen durch das Säckchenwerfen in die eingeschlagene Richtung, danach sich einen Platz suchen, sich verankern, das Zelt aufschlagen, sich einrollen – verpuppen, um sich nach einer Weile wieder, mühevoll aber bestimmt, auf den Weg zu machen.

Das war für mich auch eine Bearbeitung der eigenen Lebenserfahrung: das Aufbrechen um in einer neuen Welt Fuß zu fassen und die Bewusstwerdung der eigenen Möglichkeiten aus denen sich das Entwicklungspotenzial entfalten kann.

Florina Coulin, Zelt-Kleid, Performance, Augsburg, Sommer 1989

 

Das Labyrinth ist ein uraltes Symbol das in vielen Kulturen erscheint. In meiner Installation verwende ich das Muster des kretischen Labyrinths. Bei mir  bestehen die „Steine“ aus gefalteten DIN-A3 Papieren, die mit Zeichen und Symbolen aus dem  archetypischen kollektiven Unbewußten bemalt wurden. Später kam immer mehr die Schrift zur Gestaltung der „Steine“ – mit Wörtern die sich mir damals wegen ihrer dichten  Bedeutungen aufdrängten. Dazu kam die Spannung des zweisprachigen Erlebens.

In einem zweiten Schritt wurden die beschrifteten Blätter kopiert und weiter gezeichnet, übereinander kopiert und kombiniert. Diese Blätter wurden dann auf Gaze-Bahnen aufgehängt und ergaben als Wandinstallation ein „Labyrinth der Sprache“. 

Das Begehen der Bodeninstallation war  für viele Besucher auch ein neues Erfahren des eigenen inneren Raumes. Die äußere Bewegung konnte eine innere Bewegung hervorrufen – auf die eigene Mitte deutend. 

Am Schluss konnte ich alle Elemente zusammenfalten und stapeln und  in einen Koffer packen. Dieses „Reiselabyrinth“ steht auch als Symbol für die (labyrinthische) Lebens-Reise.

Florina Coulin, Labyrinth-Zeichen-Wort. Ein Reiselabyrinth. 1995–1997

 

Suche nach einer Essenz – zu den Aquarellen von Florina Coulin

 

Sehnsucht nach Ruhe, Sehnsucht nach einer bestimmten Farbe, Sehnsucht nach einem Thema, das sie über Jahre hinweg beschäftigt und ihre geistige und künstlerische Welt bildet: Das sind die Beweggründe für Florina Coulins konsequentes und kontinuierliches Arbeiten der letzten Jahre.

Auf den ersten Blick scheint es dabei erstaunlich, dass sie sich dazu ausgerechnet der Aquarelltechnik, der man so gerne Schnelligkeit und Spontaneität zuschreibt, bedient. Aber gerade in der Aquarelltechnik kann das Unbestimmte, das Unfassbare, das Transzendente adäquat wiedergegeben werden. Und es ist auch ein langsames Arbeiten möglich. Denn aus bis zu 15 Schichten bestehen die Aquarelle von Florina Coulin. Das Schwierigste, die Konturen und Akzentuierungen, setzt die Künstlerin zuletzt. Erwähnenswert ist dies aus folgendem Grund: Gelänge dieser letzte Schritt nicht, wäre alles, wäre tagelange, ja oft wochenlange Arbeit umsonst gewesen. Aber genau in diesem beharrlichen Arbeiten mit feinen Lasuren steckt die Erfahrung vieler Jahre und vielleicht auch die Zuversicht, ja die Gewissheit, dass es gelingen kann und ihren Vorstellungen entsprechen wird.

Die Aquarellmalerei begleitet Florina Coulin schon seit mehr als drei Jahrzehnten: In der ländlichen Umgebung von Schmiechen, wo die Künstlerin von 1979 bis 1985 lebte, war eine Naturthematik naheliegend und so entstanden Landschaftsaquarelle und Stillleben. Hier wurde der Grundstein gelegt für eine Landschaftsmalerei in Aquarelltechnik, die spontan war und sich stark in Richtung Abstraktion bewegte. Mit den im Sommer 1995 in Saint Colombe entstandenen Landschaften fand die Plein-Air-Malerei der Künstlerin ihren Kulminationspunkt.

Eine Sehnsucht nach Ruhe stellte sich ein und von heute auf morgen war dann das Thema „Landschaft“ vom Tisch. Ein solch radikaler Einschnitt ist charakteristisch für Florina Coulins künstlerisches Arbeiten: Immer wieder hat die Malerin den Eindruck, sie habe die ihr interessant erscheinende Bandbreite eines Motivs für sich ausgeschöpft. So wandte sie sich Mitte der 1990er Jahre für rund ein Jahrzehnt den ungegenständlichen Aquarellen zu. Rechtecke, Quadrate, Halbkreise und Kreise, die sich überlagern, bildeten nun ihre Welt. Mit den geometrischen Formen einhergehend kam sie vom spontanen Erfassen der Außenwelt, wofür sich das Aquarell bekanntlich so gut eignet, zu einer schrittweisen Annäherung an ihr Bild. Die Mittel wurden „gezähmt“, wie sie es selbst formuliert hat: Ein Dutzend Schichten, hauchdünn, Rechteck über Rechteck, in fein nuancierter Farbigkeit und zum Schluss, viel kräftiger, ein Kreis, alles in einer unglaublichen Perfektion. Ihre Sehnsucht nach Ruhe und nach einer bestimmten Farbe wird bei ihrem Aquarell mit dem Titel „Weiße Lichtöffnung“, entstanden 2006, ganz besonders deutlich. Es besteht nur aus Lasuren in Gelbtönen und spiegelt ein meditatives Arbeiten in vielen regelmäßig wiederkehrenden Phasen wider. Dazwischen liegt das Leben, ja auch der Alltag. Ein Wechsel von „vita activa“ und „vita contemplativa“ findet bei ihr bewusst statt. Nach vielen Serien, bei denen bestimmte Farben und eine enge Auswahl an Formen im Focus stehen, hat sie das Gefühl, dass es wieder etwas Neues geben muss. Doch dafür wählt Florina Coulin keine neue Technik, sie erweitert vielmehr ihr Spektrum an technischen Möglichkeiten innerhalb der Aquarellmalerei und wählt ein völlig anderes Thema.

Von nun an widmet sie sich der Zwiesprache mit den alten Meistern: Van Eyck, Leonardo, Michelangelo. Sie setzt sich mit Engeln, Madonnen und Menschen auseinander. Manche dieser überlebensgroßen Gesichter sind idealisiert, wie nicht von dieser Welt, vergeistigt wie die Tore und Quadrate, die jahrelang im Zentrum des Schaffens der Künstlerin standen. Bei den anderen Darstellungen handelt es sich um Menschen, die uns durch ihren Gesichtsausdruck nahe erscheinen und wie aus unserer Welt kommend wirken.

Besonders beeindruckt hat mich das Gesicht der Eva von van Eycks berühmtem Genter Altar. Florina Coulin sezt dieses Bildnis in ein aus nur ganz wenigen Farben und Flächen bestehendes Aquarell um. Am Anfang stehen dabei die noch kaum konkretisierten fließenden Formen. Die zweite Stufe bilden Umrisse. Als Nächstes kristallisiert sich ein Gesicht heraus und schließlich setzt die Künstlerin die Konturen. Es ist derselbe Weg vom Unbestimmten zum Deutlichen, wie ihn Florina Coulin auch bei ihren ungegenständlichen Arbeiten geht. Ihre eigentliche Kunst besteht darin, dieses Bildnis aus dem großen Gemälde so herauszuschälen, dass es für sich steht und damit eine Allgemeingültigkeit erlangt. In diesem ernsthaften Gesicht stecken so viele, zutiefst menschliche Gefühle wie Nachdenklichkeit, Zweifel, Resigna­tion oder Angst.

Und somit ist diese Eva weit mehr als nur eine biblische Figur, die ein Maler im 15. Jahrhundert dargestellt hat. Sie ist eine Frau mit einem Gesichtsausdruck, der uns allen eigen sein könnte, und wirkt deshalb so aktuell. Das Bildnis hat seine Zeit überdauert. Florina Coulin hat dies erkannt und es in ihre Bildsprache umgesetzt, um uns dieses Phänomen erneut vor Augen zu führen. Die meisten Gesichter jedoch, die Florina Coulin von den alten Meistern zitiert, stellen Heilige dar. Dementsprechend wirken sie vergeistigt, verinnerlicht. Sie spiegeln eine Zwischenstufe zwischen Menschlichem und Göttlichem wider. Gleichzeitig schlagen diese Bilder Brücken: Zum einen zu den ungegenständlichen Aquarellen im Hinblick auf den Aspekt der Transzendenz und Abstraktion. Zum anderen greift die Künstlerin mit diesen Gesichtern auch auf die Gegenständlichkeit ihrer frühen Arbeiten zurück – aber auf einer anderen Ebene, die das Spannungsfeld von gegenständlich und abstrakt ausschöpft und damit spielt. 

Darüber hinaus hat sich die Malerin auch in früheren Zeiten mit religiösen Themen befasst. Somit schließen sich im vielseitigen und vielgestaltigen Werk von Florina Coulin Kreise. Es zeigt sich, dass ihre Schaffensphasen – so verschieden sie auch sein mögen und so abgeschlossen sie in sich sind – doch Zusammenhänge aufweisen, die stets eine Sehnsucht und Suche nach einer Essenz erkennen lassen.

Mechthild Müller-Hennig, Aspekte der Aquarellmalerei, in der Schwäbischen Galerie im Volkskundemuseum Oberschönenfeld, 2014.